Wuppertal gehört zu den Kommunen mit starker Zuwanderung aus EU-Ländern, vor allem aus Ost- und Südosteuropa. Durch das Kooperationsprojekt „Zuhause in Wuppertal“ werden EU-Zugewanderte vor allem aus Bulgarien, Rumänien, Italien, Griechenland und Polen unterstützt und beraten. Viele der Ratsuchenden leben in prekären Situationen.
Auf einem von „Zuhause in Wuppertal“ organisierten Fachtag am 17.9.2024, tauschten sich im Forum Langerfeld nach einem fachlichen Input von Prof. Dr. Sebastian Kurtenbach (FH Münster) viele Akteurinnen und Akteure aus dem Bereich in einer spannenden Podiumsdiskussion über Herausforderungen und (teilweise ungenutzte) Chancen von EU-Zuwanderung aus.
Eine aktuelle Herausforderung für Integration, so begrüßte die Leiterin des Kommunalen Integrationszentrums, Arlin Çakal-Rasch, die Gäste, sei die Gleichsetzung von Migration mit (=) Sicherheitsrisiko. Der deutliche Rechtsruck in der Gesellschaft und die bevorstehenden drastischen Kürzungen im sozialen Bereich stellten weitere Herausforderungen dar.
In seinem Fachvortrag hob Prof. Dr. Kurtenbach hervor, die Zielgruppe der Zugewanderten aus Südosteuropa sei durchaus heterogen. Trotzdem habe Zuwanderung in den meisten Fällen wirtschaftliche Gründe: für diejenigen, die in ihrer Heimat in großer Armut leben genauso wie die gut Ausgebildeten (z.B. Ärzte), die in Deutschland weit besser bezahlt werden als in der Heimat. Eine Chance, so Prof. Kurtenbach, sei Migration aber allemal, schon aus demografischer Sicht. Das nahende Erreichen des Rentenalters der geburtenstarken Jahrgänge könne nicht durch Geburten aufgefangen werden. Ohne Migration sehe er sogar die soziale Sicherheit als gefährdet an.
Anders als in vielen anderen Städten (dort konzentrierter) haben sich in Wuppertal fast überall in den Stadtteilen entlang der Talachse sog. Ankunftsgebiete gebildet, die durch hohe Fluktuation gekennzeichnet sind. Integrierte Quartiersentwicklungsstrategien und die notwendige Infrastruktur (Schulen, Sprachkurse), so Kurtenbach, seien wichtig. Es müsse aber auch z.B. ein Bewusstsein dafür entstehen, dass die Zielgruppe sich vor allem über Smartphones informiert, gängige Kommunikations-Apps aber in Behörden nicht erlaubt seien. Für die Zukunft sei eine verstärkte Nutzung der digitalen Kanäle, um die Zielgruppe zu erreichen und beim Ankommen zu unterstützen, zu bedenken.
„Gemeinsam klappt’s“, so Dana von der Mühlen, die „Zuhause in Wuppertal“ im Auftrag des Kommunalen Integrationszentrums Wuppertal leitet. In Wuppertal haben sich schon lange verschiedene Akteur*innen (Stadt, Jobcenter, Wohlfahrtsverbände, MSO) zusammengeschlossen und im Projekt „Zuhause in Wuppertal“ in den letzten Jahren und Jahrzehnten Hunderte Zugewanderte in Arbeit gebracht. Früh erkannte man, dass Arbeitsmarktintegration beim Thema Integration eine wichtige Rolle spielt. Aber die Case Manager*innen im Projekt erleben immer wieder, dass die dritte Phase der Integrationskette – Grundversorgung (Phase 1) – Hilfeplanung (Phase 2) – Gesellschaftliche Teilhabe (Phase 3) – nicht erreicht werden kann, wenn die Grundversorgung (Wohnen, Lebensunterhalt, Gesundheit) der Betroffenen nicht gesichert ist.
Zur Sicherung der Zukunftsfähigkeit als Wirtschaftsstandort brauche Wuppertal Zuwanderung, betonte Jobcenter Vorstandsmitglied Dr. Andreas Kletzander auf dem Podium. Daher sei eine Entbürokratisierung notwendig, um die Chancen von Migration nutzen zu können. In Bezug auf die Sensibilisierung und Öffnung der kleineren (teilweise migrantisch geführten) Betriebe in den Quartieren gebe es dringenden Handlungsbedarf, da mittelständische Unternehmen oft Zugewanderte aus anderen Herkunftsländern einstellen. Menschen aus Südosteuropa leiden nicht nur in dieser Hinsicht unter Diskriminierung.
Die Art und Weise, wie im KI Wuppertal das Thema EU-Zuwanderung umgesetzt wird, sei vorbildlich, so Sabine Reißberg aus dem Ministerium für Kinder, Jugend, Familie, Gleichstellung, Flucht und Integration. Trotz geringer werdender Ressourcen auf Bundes- und Landesebene sieht sie die wichtige Arbeit durch eine Implementierung in das Kommunale Integrationsmanagement als gesichert an.
Einig waren sich alle Akteur*innen auf dem Fachtag, dass die Arbeit noch sichtbarer gemacht werden muss, um dem Rechtsruck in der Gesellschaft aber auch den Kürzungen im sozialen Bereich entgegenzuwirken.
Banner-Foto (von links nach rechts)
Christine Roddewig-Oudnia, Ressortleiterin, Kinder, Jugend und Familie – Jugendamt
Sabine Reißberg, stellvertr. Referatsleiterin im Ministerium für Kinder, Jugend, Familie, Gleichstellung, Flucht und Integration
Arlin Çakal-Rasch, Fachbereichsleiterin für den Fachbereich Zentrum für Integration, Bildung und kulturelle Vielfalt im Ressort Zuwanderung und Integration
Moderatorin Anni Stosberg (Radio Wuppertal)
Anita Dabrowski, Leiterin der Migrationsdienste des Caritasverband SG-W
Dr. Andreas Kletzander, Vorstand des Jobcenter Wuppertal
Prof. Dr. Sebastian Kurtenbach, Dozent an der FH Münster